Aktivierung der stillen Reserve

Text: Robert Kriz

Sie trainieren Ihr Herzkreislaufsystem und Ihre Muskulatur auf Kraft und Beweglichkeit? Nutzen Sie auch das vielfältige Potential, das Ihr Atemorgan zu bieten hat?

Natürlich kann die Lunge als Organ selbst nicht trainiert werden – wohl aber alle Faktoren, die ihre Leistungsfähigkeit bestimmen. Durch optimale Nutzung der Atemräume, Training der Atemmuskulatur und Mobilisation des Brustkorbes können Sie das volle Potential ausschöpfen, das in Ihrer Mitte steckt.

Atemfunktionsstörungen sind weit verbreitet so haben ca. ein Drittel aller Menschen, eine solche, auch wenn diese bisher noch nicht auffällig wurde?

Machen Sie den Selbsttest

So erkennen Sie, ob Sie eine Atemmuster-Fehlfunktion oder einen Verbesserungsbedarf haben:

Wenn Sie bewusst tief durchatmen, spüren Sie Verspannung oder Schmerzen im Bereich des Brustkorbs, der Rippen, im Rücken oder im Nacken? Oder vielleicht Verkrampfungen im Bauch oder am Hals? Haben Sie Beklemmungsgefühle? Dann wird es Zeit, das Potenzial der eigenen Atemräume besser zu nutzen, Platz zu schaffen im Bauchraum und Brustraum, Steifigkeiten und Beschränkungen in der Beweglichkeit des Brustkorbs und der Wirbelsäule zu verringern.

Führen Sie eine der folgenden Übungen über zwei Minuten ohne Pausen durch welche am besten zu Ihnen passt:  Kniebeugen, Kniehebelauf an derselben Stelle oder Liegestütze.

Beobachten Sie wie lange es dauert, bis Sie einen erhöhten Atembedarf registrieren der nicht mehr durch eine Vertiefung der Atmung (Atemvolumen), sondern mit einer Erhöhung der Atemfrequenz beantwortet werden muss.

Wie schnell dieser Zeitpunkt (Erhöhung der Atemfrequenz) auftritt, ergibt den IST Zustand.

Die zwei Physiotherapeuten Robert Kriz und Florian Georg Pichler haben über die letzten Jahre dem Thema ihre ganze Aufmerksamkeit geschenkt.
Aus physiotherapeutischer Sicht interessieren sie sich vor allem für die mechanischen Veränderungen, die direkt mit der Atmung verknüpft sind sowie den Einfluss auf die Zirkulation. Dies können Veränderungen in der Spannungsverteilung und Druckverteilung im Brustkorb und Bauchraum sein. Oder eine veränderte Körperwahrnehmung, … einfach eine Zunahme an Möglichkeiten der Steuerung von Funktionen in und um die Atemräume.

In Kursen für Fachpublikum in Gruppen oder im Einzelsetting werden Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen besprochen bzw. erarbeitet.

Dafür wurde von den zwei Physiotherapeuten ein eigener Atemmusterfunktionsscore (AMS) entwickelt. Dieser bietet spezifische Messparameter zur Erhebung und Kontrolle wichtiger Atemparameter. Die erhobenen Atemparameter werden mit einem nummerischen Score erfasst und in eine Netzgraphik übertragen. Dabei werden keine lungenspezifischen Funktionen erhoben, wie z.B. bei einer Spirometrie, sondern die myofasziale Steuerung evaluiert. Durch diese graphischen Abbildungen der erhobenen Atemfunktionen bietet der AMS der Testperson die Möglichkeit den aktuellen Zustand rasch und einfach zu erfassen, sowie eine Verlaufs- bzw. Erfolgskontrolle zu dokumentieren.

Die Aufschlüsselung der Atemräume nicht nur in Bauch- und Brustatmung zu untergliedern, nimmt einen zentralen Ausgangpunkt bei dieser Methode der orthopädischen Atemtherapie/ Breathworld Methode ein.
So werden aus einer vereinfachten Zweiteilung (Bauch-Brustatmung) des Körpers fünf verschiedene Abschnitte beschrieben bzw. wahrgenommen. Durch die Weitung aller fünf Abschnitte des Brust bzw. Bauchraums vorne; hinten; oben, unten und seitlich wird Raum geschaffen der unmittelbar in eine Änderung der Atemfrequenz sowie in der Nutzung dieser Räume abzulesen ist.

Im Anschluss wird mit den Sporttreibenden geübt in den Körperabschnitten den Atem zuzulassen, wo es sich nicht bewegt bzw. den Atem dort hin zu lenken. Das atemgesteuerte Bewegen in angenäherter und gedehnter Position im richtigen Rhythmus des Zielabschnittes hat das Potential auch in diversen alltags- und sportartspezifischen Bewegungen eingebunden zu werden.
Mit Hilfe dieser Technik steht dann ein Werkzeug zur Verfügung welches immer und überall zur Anwendung kommen kann.

Für den Bereich der sportlichen Regeneration bietet dieses Konzept ebenfalls einiges an Ideen an. So können über die Ermittlung der Atemfrequenz in Ruhe in einer Minute eine Einschätzung über den Erregungszustand des Systems und Rückschlüsse auf das vegetative Nervensystem gezogen werden.
Wenn dabei auch das Verhältnis der Ein-Ausatmung erfasst wird, können stille Reserven entdeckt und mobilisiert werden.
Die Modulation der Atmung durch das bewusste Setzen von Pausen vor oder nach der Ein- oder Ausatmung kann aktivierend oder entspannend wirken.

Die zwei letzten Parameter des Atemmusterfunktionsscore, „wie lang und wie oft“ runden nun die Einschätzung der stillen Reserven ab. Durch den Apnoetest wird ermittelt, wie lange die Luft angehalten werden kann bzw. wie stark durch die bewusste Steigerung der Atemfrequenz in einer Minute geatmet werden kann. Diese leichten Provokationen des Systems führen zu einer Blutgasverschiebung im Bereich Sauerstoff Kohlendioxid (O2/Co2 Wert) bzw. zeigen die aktuelle Toleranzgrenze des Sporttreibenden an. 
Häufig zeigen diese zwei letzten Testungen, die jedenfalls supervidiert werden sollten, die starke „Mind-Body“ Beziehung zwischen Atem und Geist deutlich auf.

Florian Georg Pichler, MSc.

freiberuflicher Physiotherapeut

Robert Kriz

freiberuflicher Physiotherapeut